BIOGRAPHIE
Odysseus im 19. Jahrhundert
Kindheit und Jugend
Ende der kindlichen Idylle
Durch Fleiß zum Erfolg
Wohlstand und Ansehen
Goldfieber
Reichtum und Familie
Bildung und Reisen
Suche nach neuem Lebensziel
Vom Autor zum Ausgräber
Neuordnung seines Lebens
Trojan. Traum und Wirklichkeit
Grabungen in Troja (1871-1873)
Schatz des Priamos
Trojas Fluch und Segen
Agamemnon und Mykene
Anerkennung und Kritik
Zurück nach Troja 1878/79
Die Schenkung
Orchomenos und Troja
Herakles und Minos
Die Verteidigung Trojas
LEBENSLAUF
Kurzfassung
seines Lebens
ALBUM &
GALERIE
Bilder rund um Schliemann
Gedenkstätte Neubukow
Die Kunstgalerie
LITERATUR
Empfehlenswerte Bücher
SITESEEING
Die Linksammlung
Die Erfolge der letzten Kampagne machten Schliemann als Entdecker Trojas berühmt, doch sie riefen Zweifler und ernste Skepsis hervor. Dass Schliemann das Verdienst der Entdeckung allein auf sich bezog, erbitterte zudem Frank Calvert, der ihn nun öffentlich angriff. Die Feindschaft dieses ehemaligen Förderers kam höchst ungelegen, denn über Schliemanns Haupt braute sich der Zorn der türkischen Regierung zusammen, die den Firman wegen der Fortschaffung des Reliefs widerrief. Unter Hinweis auf seinen Wert für die Archäologie gelang es schließlich Schliemann durch Fürsprache von Diplomaten und Wissenschaftlern, zumindest die inoffizielle Grabungserlaubnis zu erhalten. Gemeinsam mit Sophia traf er bereits Ende Januar 1873 in Kleinasien ein.
Durch
die Holzwände ihres Hauses pfiff der eisige Wind, das Wasser in der
Waschschüssel war eingefroren, und tagelang erschien kein Arbeiter.
Der Frost wurde von Tauwetter abgelöst, und es goss in Strömen.
Erst im März besserte sich das Wetter, und Schliemann konnte mit voller
Kraft und 150 Arbeitern seinen Vorsatz, einen "24 Meter breiten Graben..."
zu ziehen, in die Tat umsetzen. Noch immer war Schliemann der Meinung, das
homerische Troja sei die älteste Siedlungsschicht, und weiterhin hielt
er auch an seiner Brachialmethode der breiten Einschnitte fest, ließ
Mauern des großen "Minerva"-Tempels sprengen und ihm Unbekanntes
zerstören. Trotz der fieberhaften Aktivität sank Schliemanns Stimmung
zusehends. Der Aufwand an Zeit und Geld schien nicht im Verhältnis
zu den Ergebnissen zu stehen: "Die Strapazen gehen hier über meine
Kräfte und ich bin entschlossen, die Ausgrabungen nur noch bis zum
1. Juni fortzusetzen."
Doch
bereits Tage später veränderten Funde die Perspektive vollends.
In einer einzigen Woche kamen mehr als 200 Spindeln, Münzen, Steinwerkzeuge,
Kupferbeile, Eulenvasen und Tonbehälter zum Vorschein. Unter dem "Minerva"-Tempel
stießen sie auf ein Haus, das wie alle Gebäude ausgebrannt war,
mit einem markanten "Opferaltar sehr primitiver Art".
Am 16. April 1873 notierte Schliemann, er habe nun "viele wunderbare Dinge ans Licht gebracht, unter welchen ich besonders hervorheben kann... eine... 5 Meter und 20 Zentimeter breite Strasse der Pergamos". Er kombinierte, dass diese Strasse stadtauswärts mit einem Tor versehen sei und innerhalb der Stadt zu einem vornehmen Gebäude führen musste.
Tatsächlich
entdeckten seine Arbeitskolonnen Anfang Mai "zwei große Gebäude
verschiedenen Alters" die beide "durch furchtbare Feuersbrünste"
zerstört worden waren. Vom älteren nahm Schliemann an, dass es
der "Palast des Priamos" sein musste. Trotz großer Bedenken
ließ er nun drei große Wände des neueren Hauses wegbrechen
und war überwältigt von dem Fund, den er durch diese Maßnahme
machte: Ein "großes doppeltes Tor", das "notwendigerweise
das Skäische Tor sein muss", an dem sich die "herrlichste
Szene der Ilias" abspielt, "von hier aus überschaute die
Gesellschaft die ganze Ebene und sah am Fuße der Pergamos die Heere
der Trojaner und die Achäer nebeneinander, um den Vertrag abzuschließen,
den Krieg durch einen Zweikampf zwischen Paris und Menelaos entscheiden
zu lassen...".
Eigentlich
sah Schliemann seine Mission nun als beendet an. Die Ringmauer mit dem Turm,
das "Skäische Tor" und dazu der "Palast des Priamos"
schienen Beweis genug zu sein, die Welt davon zu überzeugen, dass die
Stadt Troja hier einst gestanden hatte und dass Homer eine beweisbare Geschichte
in seinen Epen überliefert hatte. Trotzdem ließ Schliemann weitergraben
und stieß am 7. Juni schließlich auf einen überwältigenden
Fund, der nun alle Skeptiker zum Schweigen bringen musste: "... legte
ich in 8 bis 9 Meter Tiefe die vom Skäischen Tor weitergehende trojanische
Ringmauer bloß und stieß beim Weitergraben auf dieser Mauer
und unmittelbar neben dem Hause des Priamos auf einen großen kupfernen
Gegenstand höchst merkwürdiger Form, der umso mehr meine Aufmerksamkeit
auf sich zog, als ich hinter demselben Gold zu bemerken glaubte...".
Er rief Sophia zu sich und hieß sie "paidos", Pause für
die Arbeiter auszurufen, obwohl noch nicht Frühstückszeit war.
Mit einem "großen Messer" und unter "furchtbarer Lebensgefahr"
schnitt Schliemann aus dem harten Schutt: einen Schild, einen Kessel, eine
Platte sowie eine Vase und sechs Klingen, weiter eine Flasche und zwei Becher
aus massivem Gold, und schließlich entdeckte er in der "grössten
silbernen Vase... zwei prachtvolle Diademe, ein Stirnband und vier herrliche
höchst kunstvoll gefertigte Ohrgehänge höchst merkwürdiger
Form und 8750 kleine goldene Ringe, durchbohrte Prismen und Würfel,
goldene Knöpfe usw., die offenbar von anderen Schmucksachen herrühren;
darauf folgten sechs goldene Armbänder, und ganz oben lagen die beiden
kleineren goldenen Becher...".
Allein
der Materialwert des Schatzes wurde über eine Million Mark geschätzt.
Unauffällig und vom türkischen Kontrolleur unbemerkt ließ
Schliemann nun die Stücke von Sophia in ihrem "Schal" nach
Hause tragen, denn Schliemann war nicht willens, diesen Reichtum, dem er
sofort den Namen "Schatz des Priamos" gab, mit dem türkischen
Museum zu teilen. Wie es ihm gelang, den Schatz nach Athen zu schaffen,
ob versteckt in den persönlichen Kleidern oder in einer Gepäcksendung
an Frank Calvert, hat Schliemann nie eindeutig klargestellt. Zur Tarnung,
aber auch in der Hoffnung, noch weitere Funde zu machen, ließ Schliemann
noch einige Tage weitergraben. Als er den Schatz sicher in Athen wusste,
brach er die Arbeiten eilig ab, um den Zorn der türkischen Regierung
außer Landes zu erwarten. Er konnte sich nun einen kritischen Rückblick
gestatten und einräumen, dass die gefundenen Bauten nicht so sehr mit
Homers Schilderungen im Einklang standen. In dem Erklärungsversuch
für diese Diskrepanz ging er zwar nicht so weit, Zweifel an der Troja-These
zuzulassen, sondern er demontierte ein wenig seinen Wahrheitsanspruch Homer
gegenüber: "Aber Troja war nicht groß,... so kann die Stadt
doch nicht mehr als 5000 Einwohner gehabt und nicht über 500 Soldaten
gestellt haben."
Enttäuschend in seinen Ausmaßen war vor allem das bescheidene Ausmaß des "Palast des Priamos". Die versöhnliche Synthese fand er in einem neuen Homer-Bild: "Homer ist ein epischer Dichter, und kein Historiker und es ist ganz natürlich, dass er alles mit dichterischer Freiheit übertreibt." Und mit einem Seitenhieb versucht er, der zu erwartenden Skepsis den Wind aus den Segeln zu nehmen: "...überdies sind die Ereignisse, die Homer schildert, so wunderbar, dass gar viele Gelehrte seit langer Zeit die Existenz Trojas in Zweifel gezogen und diese Stadt nur als ein bloßes Phantasiebild des Poeten angesehen haben."