BIOGRAPHIE
Odysseus im 19. Jahrhundert
Kindheit und Jugend
Ende der kindlichen Idylle
Durch Fleiß zum Erfolg
Wohlstand und Ansehen
Goldfieber
Reichtum und Familie
Bildung und Reisen
Suche nach neuem Lebensziel
Vom Autor zum Ausgräber
Neuordnung seines Lebens
Trojan. Traum und Wirklichkeit
Grabungen in Troja (1871-1873)
Schatz des Priamos
Trojas Fluch und Segen
Agamemnon und Mykene
Anerkennung und Kritik
Zurück nach Troja 1878/79
Die Schenkung
Orchomenos und Troja
Herakles und Minos
Die Verteidigung Trojas
LEBENSLAUF
Kurzfassung
seines Lebens
ALBUM &
GALERIE
Bilder rund um Schliemann
Gedenkstätte Neubukow
Die Kunstgalerie
LITERATUR
Empfehlenswerte Bücher
SITESEEING
Die Linksammlung
"Die Baustelle Iliums ist auf einen durchschnittlich 24 Meter über der Ebene erhabenen Plateau, welches nach Norden sehr steil abfällt. Seine Nordwestecke wird durch einen noch um 8 Meter höheren Hügel gebildet, welcher 215 Meter breit und 300 Meter lang ist. Und sich durch seine imposante Lage und natürlichen Befestigungen ganz besonders zur Akropolis der Stadt zu eignen scheint." Diese Baustelle stellte Schliemann vor große organisatorische und strategische Probleme.
Nachdem
er für sich und Sophia in einem Dorf ein kleines Lehmhaus gemietet
hatte, warb er in dem Dorf Renkoi acht arbeitslose Griechen an, und für
die Sonn- und Feiertage, an denen die Griechen die die christlich gebotene
Ruhe einzuhalten gedachten, acht Türken. Diese Zahl der Arbeiter wurde
rasch erhöht, am zweiten Tag arbeiteten bereits 35 und am dritten 74
Arbeiter. Als die Ausgrabungskampagne voll im Gange war, waren täglich
zwischen 120 und 150 Arbeiter unter der Ägide Schliemanns, Sophias
und zweier Aufseher tätig.
Mit einer recht mageren Ausrüstung schickte sich nun Schliemann an, dem Hügel zu Leibe zu rücken. Er nahm an, dass das Troja des Königs Priamos die älteste Siedlungsschicht war, und beschloss daher, 14 Meter tief "bis zum Urboden" zu graben. In der Absicht, die verschiedenen Schichten, die er bis zum Urboden zu finden hoffte, gleichsam im Schnitt aufzudecken, begann er, den Berg in der Mitte zu zerteilen. Dabei ließ er alle Mauerreste, die er auf diesem Gewaltmarsch durch den Hügel hindurch fand, rigoros entfernen, da sie seiner Meinung nach mit Homers Troja nicht im Zusammenhang standen.
Später musste Schliemann zu seiner eigenen Qual erkennen, dass viele dieser Fundamente Überreste des homerischen Troja gewesen waren. Ahnungslos, wie er am Anfang seiner Ausgräberlaufbahn archäologischen Fragen gegenüber stand überließ er die großen Steine den Einwohnern der umliegenden Dörfer: "So wird jetzt unter anderem mit meinen ilischen Steinen eine Moschee und ein Minarett im elenden türkischen Dorfe Tschiplak und ein Kirchturm im christlichen Dorfe Yenischehir gebaut".
Die
erste Grabungsperiode, die Ende November wegen des einsetzenden Winterregens
abgebrochen werden musste, machte Schliemanns zuversichtlich gestecktes
Ziel, "Troja aufzufinden, über dessen Baustelle von 100 Gelehrten
100 Werke geschrieben worden sind" und "durch meine Arbeiten bis
in das tiefste Dunkel der vorhistorischen Zeit vorzudringen und die Wissenschaft
zu bereichern", oftmals fraglich.
Die Funde, die zutage kamen, stellten ihn vor scheinbar unlösbare Rätsel. Bereits in den oberen Erdschichten, in ungefähr vier Meter Tiefe, stieß er auf "eine ungeheure Menge Werkzeuge von sehr hartem schwarzen Stein (Diorit), aber in ganz primitiver Form ...". Dass er "hier auf der höchsten Stelle des Berges, wo doch allem Vermuten die vornehmsten Gebäude gestanden haben müssen, schon in 4,5 Meter auf die Steinperiode stieß..."und fast gleichzeitig auch wieder "Töpfergeschirr zierlicher Art" als Überreste "eines zivilisierten Volkes" zum Vorschein kam, verunsicherte ihn zutiefst. Doch Schliemann ließ sich nicht entmutigen: "Die Auffindung der Steinperiode ... hat mich daher nur noch begieriger gemacht, bis zu der Stelle vorzudringen, die von den ersten hierher gekommenen Menschen betreten worden ist."
Und
sein Durchhaltevermögen wurde bald belohnt. Bereits am 6. November
kamen in einer Tiefe von 7 Metern "nicht nur viele Nägel, sondern
auch Messer, Lanzen und Streitäxte zum Vorschein, die so zierlich gearbeitet
sind, dass nur ein zivilisiertes Volk sie hat machen können".
Diese Funde, die "zu schön gearbeitet" waren, um der Bronzeperiode,
der Priamos` Troja zugerechnet wird, zu entstammen, gaben Schliemann wieder
Mut, weiterzugraben. Trotzdem blieb ihm vieles rätselhaft, denn "je
tiefer ich von 7 Meter abwärts grabe, desto mehr Spuren höherer
Zivilisation finde" ich. Während der Winterpause begab er sich
sogleich auf Reisen, suchte Gelehrte in Westeuropa auf und bat sie um Ratschläge
und Hinweise. Sogar an den angesehenen Professor Ernst Curtius, der weiterhin
an seiner Lehrmeinung festhielt, Troja sei nur in Burnabaschi zu suchen,
wandte sich Schliemann in einem Brief: "Dringend bitte ich Sie, mir
zu schreiben, wie und was Sie über diese Gegenstände denken und
ob es Ihnen angenehm ist, wenn ich Ihnen später wöchentlich über
meine Ausgrabungen berichte, die ich am 1. April fortzusetzen beabsichtige.
Mir fehlt es dazu weder an der Zeit noch an Energie noch an Mitteln, mir
fehlt aber manchmal der gute Rat eines Mannes wie Sie, und wenn Sie mir
denselben von Zeit zu Zeit erteilen wollen, so würden Sie mich gewaltig
verpflichten...".
Ungeduldig,
endlich einen sicheren Beweis für seine These über Trojas Standpunkt
zu finden, reiste er trotz schlechter Witterung bereits Ende März 1872
zur Ausgrabungsstätte. Er wollte die Monate im Frühjahr nutzen,
denn im Sommer war an einen Aufenthalt in diesem ungesunden Gebiet nicht
zu denken.
In der Gegend um Hissarlik entstanden durch den Winterregen Seen und Sümpfe,
die nach dem Austrocknen im Sommer Gestank und Ausdünstungen erzeugten,
und "viel bösartiges Fieber" mit sich brachten, worunter
Schliemann sehr litt. Das Klima um Hissarlik veranlasste schon Homer, vom
"stürmischen Troja" zu sprechen. Bei den Ausgrabungen drohten
aber auch akute Gefahren für Leib und Leben. Manchmal kamen ungeheure
Menge giftiger Schlangen zum Vorschein, Skorpione und anderes giftiges Ungetier.
Bei
dem Ausmaß an Erdbewegungen, 250.000 Kubikmeter Schutt waren wegzuräumen,
bestand große Verletzungsgefahr. Obwohl Schliemann sich besser vorbereitet
hatte, einen Bauingenieur und zwei Arbeitsaufseher der Eisenbahngesellschaft
Athen-Piräus engagiert und aus London geeignetes Werkzeug geordert
hatte, waren die Sicherheitsvorkehrungen noch dürftig. Die Arbeiter
waren ständig von rollenden Steinen bedroht. Als eines Tages sechs
Arbeiter unter einer selbstgebauten Stützmauer begraben, doch unversehrt
geborgen wurden, wusste Schliemann, dass er einer doppelten Katastrophe
entronnen war.
Das
Verhältnis zu den Arbeitern gestaltete sich schwierig. Schliemann konnte
sich nur schwer mit der entspannten Arbeitsmoral besonders der Griechen
abfinden. Er beklagte Zeitverlust durch die Sensationslust der Arbeiter,
die ständig bei jedem Wegrollen von Steinen ihre Arbeitsplätze
verließen. Außerdem musste er sich mit der Regelung des Arbeitsablaufes
durch die Kirche abfinden. Fast jeder Heilige hatte sein Fest, das es zu
feiern galt und das Osterfest nahm gar sechs Tage in Anspruch. Nicht abfinden
konnte und wollte sich Schliemann hingegen mit einer anderen Tatsache: "Der
durchschnittliche Arbeiter legt dreimal in der Stunde sein Arbeitsgerät
nieder, holt seinen Tabak aus dem Beutel, dreht gemächlich eine Zigarette,
sucht in den Taschen nach einem Streichholz oder leiht sich eins, zündet
langsam die Zigarette an, zieht den Rauch ein und vergeudet damit mindestens
zehn Minuten in jeder Stunde. Sie haben um neun eine halbe Stunde zum Ausruhen
und Rauchen, und mittags anderthalb Stunden zum Essen und Rauchen. Ich werde
dem ein Ende machen." Er erließ ein Rauchverbot und es kam zu
einer Revolte. Aus diesem Machtkampf ging Schliemann schließlich als
Sieger hervor. Trotz seiner Regelungen zur Vorbeugung von Diebstählen
von Gegenständen, wurden wertvolle Gegenstände von den Arbeitern
beiseite geschafft.
Funde brachte diese Grabungsperiode reichlich. Es kamen immer wieder "von
3 Meter unter der Oberfläche in allen Tiefen bis zu 10 Metern platte
Götzenbilder von sehr feinem Marmor mit einem Eulengesicht" vor,
die Schliemann sofort als Idole der "ilischen Minerva" klassifizierte.
Aber auch einfache Töpferware kam zum Vorschein. Diese wenig aufregenden
Funde wurden nach der Registrierung durch den Regierungsbeamten abends in
einem der Holzhäuser, die Schliemann für sich, Sophia und seine
Aufseher errichtet hat, gereinigt und notiert.
Erst
Ende Mai stieß Schliemann bei Grabungen in Frank Calverts Hälfte
auf einen bedeutenden Fund: einen "2 Meter langen... Triglyphenblock
aus parischem Marmor", mit einem Relief, das "den Phöbus
Apollo darstellt, der... auf vier unsterbliche, das Weltall durcheilende
Rennpferde gelehnt ist." Trotz der ihm auferlegten Bedingungen kannte
Schliemann jetzt nur noch einen Wunsch: Er musste dieses aus hellenistischer
Zeit stammende Relief alleine besitzen. Frank Calvert ließ sich abfinden,
doch wie ließ sich die türkische Regierung umgehen? Schliemann
fand einen Weg: In einer Nacht- und Nebelaktion ließ er unbemerkt
von türkischen Beamten das Relief auf ein Schiff und heim nach Griechenland
bringen.
Vielleicht
wäre dieser Bruch der Abmachungen unbemerkt geblieben, doch Schliemann,
der unter Beweisnot stand, sandte Berichte über diesen Fund an Zeitungen
und ließ Gipskopien anfertigen, die er verschiedenen Museen zukommen
ließ. Damit waren Schwierigkeiten für die Ausgrabungen im Jahre
1873 vorprogrammiert. Noch immer hatte Schliemann keine überzeugenden
Beweise wie zyklopische Mauern oder gar Schriftdokumente (die nie gefunden
wurden) der Fachwelt zu bieten. Endlich Anfang August stieß er auf
eine große Mauer, die ihm allerdings "den Weg versperrt und sehr
lang zu sein scheint". Doch Schliemann hatte dazugelernt, und anstatt
die Steine wegzuschaffen, ließ er die Mauer ausgraben und entdeckte
"einen 12 Meter oder 40 Fuß dicken Turm". Es drängte
sich ihm sogleich die Überzeugung auf, dass es "Iliums großer
Turm war, auf welchen Andromache stieg, weil sie gehört hatte, die
Trojaner seien bedrängt und gewaltig sei der Achaer Obmacht`".
(Später stellte sich heraus, dass dieser "Turm" ein Teil
der doppelten Ringmauer war.)
Am nächsten
Tag stießen die Arbeiter auf die Reste eines Hauses in 14 Metern Tiefe
und legten das Skelett einer Frau und Schmuck frei. Die Euphorie war groß.
Schliemann sah seine Theorie bestätigt und beschloss, "diese heilige
Stätte umzutaufen, und im Namen des göttlichen Homer taufe ich
sie mit jenen Namen unsterblichen Ruhmes, welche das Herz eines jeden mit
Freude und Enthusiasmus erfüllen, ich taufe sie mit den Namen "Troja"
und "Ilium", und ich nenne "Pergamos von Troja" die
Akropolis, wo ich diese Zeilen schreibe".
Schliemann
ließ nun weiter an der Mauer des "Turmes" weitergraben,
holte einen Fotografen und einen Landvermesser, um die Funde zu dokumentieren,
musste aber am 14. August die Arbeiten abbrechen lassen, "denn meine
drei Aufseher und mein Bedienter, der auch mein Kassier ist, haben das bösartige
Sumpffieber, und meine Frau und ich sind so leidend, dass wir nicht imstande
sind, den ganzen Tag in der furchtbaren Sonnenglut allein das Kommando zu
führen".